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Nordrhein-Westfalen 14-Jähriger an Spätfolgen von Masern gestorben

Es ist eine seltene, aber tückische Spätfolge der Masern-Infektion: In Nordrhein-Westfalen ist jetzt ein 14-Jähriger an einer unheilbaren Gehirnentzündung gestorben. Der Junge hatte sich als Baby im Wartezimmer eines Kinderarztes mit den Viren infiziert.
Impfung bei einem Baby: Masern-Infektionen können schwere Spätfolgen haben

Impfung bei einem Baby: Masern-Infektionen können schwere Spätfolgen haben

Foto: Jörg Carstensen/ dpa

Lage - Fünf Monate war er alt, als er sich mit Masern ansteckte - 14 Jahre später ist Michael nun an den Spätfolgen der Infektion im nordrhein-westfälischen Lage gestorben. Der Junge stammte aus Bad Salzuflen und hatte sich, so berichtet es der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) , als Baby im Wartezimmer eines Kinderarztes mit den Masern infiziert. Zunächst schien es, als ob der Junge die Infektion unbeschadet überstanden hätte.

Im Alter von fünf Jahren, so der BVKJ, sei er aber an einer chronischen Gehirnentzündung erkrankt, die durch die Masernviren hervorgerufen wird. Experten sprechen von einer sogenannten subakuten sklerosierenden Panenzephalitis (SSPE).

Diese postinfektiöse Gehirnentzündung ist eine gefürchtete Komplikation von Masern. Zunächst fallen die Kinder durch psychische und intellektuelle Veränderungen auf, später kommt es zu schweren neurologischen Ausfallerscheinungen, epileptischen Anfällen und anderen Störungen. Auch der Junge aus Bad Salzuflen konnte erst nicht mehr laufen und sprechen und fiel schließlich in eine Art Wachkoma.

Zwar tritt eine SSPE sehr selten auf: Experten schätzen, dass es pro 10.000 bis 100.000 Masernerkrankungen zu einem bis zehn SSPE-Fällen kommt. Allerdings endet die Krankheit immer tödlich.

Gefährliche Gehirnentzündungen

Kinder, die sich im ersten Lebensjahr mit Masern infizieren, haben nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) ein höheres Risiko für eine SSPE als Kinder, die sich später anstecken. Die SSPE ist eine spezielle Form der sogenannten akuten postinfektiösen Enzephalitis. Zu einer solchen kommt es in insgesamt etwa 0,1 Prozent der Masern-Fälle. Bisher gibt es keine lebensrettende Therapie, die Krankheit führt innerhalb von etwa einem bis drei Jahren immer zum Tod.

Natalie, ein weiteres Kind, das sich damals im selben Wartezimmer infiziert hatte, war 2011 im Alter von 13 Jahren an SSPE gestorben. "Dort war auch ein Junge mit unklaren Symptomen, dessen Eltern eine Masern-Impfung abgelehnt hatten", sagt Martin Terhardt vom BVKJ. Der ältere Junge habe damals sechs Kinder angesteckt, darunter drei Säuglinge. "Wenn der Junge geimpft gewesen wäre, würden Natalie und Michael heute noch leben", so Terhardt.

Meist tritt die SSPE erst Jahre nach einer Infektion auf. "SSPE ist eine Zeitbombe", sagt Terhardt. "Der einzige Schutz davor ist die vorbeugende Impfung." Terhardt ist Mitglied der Ständigen Impfkommission (Stiko) am RKI, die in Deutschland Impfempfehlungen ausspricht.

Weltweit sind Masern derzeit auf dem Vormarsch. Auch in Bayern und Berlin kämpfen die Behörden derzeit gegen Masern-Ausbrüchen. Experten machen unter anderem die mangelnde Impfdisziplin dafür verantwortlich. Nach Angaben des RKI wurden bis Ende Mai bundesweit fast 600 Masern-Fälle gemeldet. Die Zahl schwankt aber von Jahr zu Jahr sehr stark. 2012 gab es 165 gemeldete Fälle, 2011 waren es 1608. 2006 waren es sogar 2308. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts sterben in Deutschland jährlich ein bis zwei Menschen an den Folgen der Masern.

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Die neue Masern-Welle in Berlin ist ungewöhnlich. Mit 338 gemeldeten Erkrankungen seit Jahresbeginn seien es so viele Fälle wie noch nie seit Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes 2001, hieß es aus der Gesundheitsverwaltung. Während ansonsten zumeist Kinder erkranken, sind dieses Mal über die Hälfte der fast 340 Masern-Infizierten älter als 16 Jahre, ein Viertel sogar älter als 30 Jahre.

Typische Symptome nach einer frischen Masern-Ansteckung sind neben Hautausschlag auch Fieber, Husten, Schnupfen und Entzündungen der Schleimhäute. Gefährlicher ist jedoch die Tatsache, dass eine Masern-Infektion zu einer Schwächung des Immunsystems führt. Sie kann laut RKI etwa sechs Wochen nach der Infektion andauern. Die Folge: Weitere bakterielle Infektionen, sogenannte Superinfektionen wie Bronchitis oder Mittelohrentzündungen, sind möglich.

In Afrika gehören Masern zu den zehn häufigsten Infektionskrankheiten. Dort ist der Anteil jener Erkrankungen, die tödlich enden, besonders hoch. Hierzulande ist die Häufigkeit der Masern durch die Impfung, die es seit etwa 30 Jahren gibt, deutlich zurückgegangen. Dennoch erreicht Deutschland eine Durchimpfungsrate von über 95 Prozent, die für die weltweite Ausrottung der Masern notwendig wäre, nur bei der ersten Masernimpfung. Zwei sind nötig. Ärzte warnen deshalb weiter davor, Masern nicht als harmlose Kinderkrankheit abzutun.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, die SSPE ende bei 10 bis 20 Prozent der Betroffenen tödlich. Tatsächlich existiert bisher keine lebensrettende Therapie. Wir haben dies korrigiert und bitten, den Fehler zu entschuldigen.

cib/dpa